Neustadt am Main - Gestern und Heute
 
    
Dreht er sich doch?
Der Karfreitagsstein. Aufgenommen am 17. August 2005
  Der Karfreitagsstein 

Erstellt am 09.04.2006

 

 

Von meinem Nachbarn Dietrich Auth

Erschienen am 31.03.2006 in der Mainpost Lohr

 

 

Mer söll's nit glääb.

 

Vor etwas mehr als 60 Jahren, da setzt mein Erinnerungsvermögen an meine Kinderzeit in Neustadt bewusst ein. Mein von mir überaus geliebter Großvater, der Bilse-Fritz, lebte damals noch und er spielt dabei eine recht eindrucksvolle Rolle.

 

Schon als Knirps durfte ich ihn oft begleiten, wenn er zum Gaiberg ging, um im dortigen Steinbruch Sandsteine und Platten zu brechen. Der Aufstieg über den zum Main steil abfallenden Osthang führte auf etwa halbem Weg an einem Naturdenkmal vorbei, einem "Mordstrumm" Felsbrocken, der majestätisch aus dem Waldboden ragt, als sei er von Geisterhand da hingestellt worden.

 

Mein Opa Fritz, nie verlegen um eine Lebensweisheit oder einen tiefgründigen, manchmal auch hintergründigen Spruch, klärte mich auf. Bub, so sagte er geheimnisvoll, guck Dir diesen Brocken an. Mit dem hat es eine ganz besondere Bewandtnis!

 

Das ist kein gewöhnlicher Felsen; der dreht sich nämlich jedes Jahr, am Tag der Kreuzigung unseres Herrn, einmal um seine eigene Achse. Gegen Mittag, wenn das Karfreitagsgeläute aus unserer wunderschönen Pfarrkirche erschallt, dann kann man dieses großartige Ereignis mit eigenen Augen sehen! Ja, mer söll's nit glääb, beteuerte er mit ernster und höchst glaubwürdiger Miene.

 

Immer wieder, beinahe jedes Jahr, habe ich mir vorgenommen, am Karfreitag auf den Gaiberg zu steigen, um beim Ruf der Glocken des schier Unglaublichen zu harren. Aber wie das halt so geht, immer kam "öbbes" dazwischen. Der alte Weg verfiel und verwilderte mehr und mehr und der sagenumwobene Felsbrocken schlummerte unbeachtet und leise vor sich hin.

 

Das hat sich geändert! Dort, wo sich der neue Holzabfuhrweg in Richtung "Gäberchsförscht" mit dem alten Weg kreuzt, kann man ihn, den sagenhaften "Karfreitagsstein", jetzt wieder ohne Mühe erwandern und bestaunen. Ein Spaziergang lohnt sich allemal! Vielleicht klappt's ja schon am nächsten Karfreitag. Weil man aber nicht sicher weiß, wann's am Karfreitag anfängt zu läuten, muss man sich eventuell auf eine längere Wartezeit einrichten. Es empfiehlt sich deshalb, neben passendem Schuhwerk und geeigneter Bekleidung ("am Karfreitag reents als garn") auch ein "Vasper" mitzunehmen.

 

Aber bitte: Kein "Flääsch" und keine "Wuurscht", wegen dem Fasten- und Abstinenzgebot! "Mir wüsse ja schließlich, was sich g'hört!!!" Geeignet wären zum Beispiel "Keäs und Matte". Damit keine Fehlinterpretationen vorkommen: Die Matte ist kein teppichähnliches Ding, worauf sich der fromme Muslim niederlässt, wenn er zu Allah, seinem Gott, betet. Matte ist vielmehr eine beliebte und sehr bekömmliche Speise, geläufig auch unter der Bezeichnung Quark (domit hön mir Lausbube früher aa die junge Krackli g'füttert").

 

Also, wer den Aufstieg am Karfreitag wagt, dem sei Glück und Erfolg beschieden!

 

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