Neustadt am Main - Gestern und Heute
 
    
2004
Kaiser Karl der Große in der ehemaligen Klosterkirche in Neustadt am Main. Relief um 1125 datiert.
  2 Legenden von Kaiser Karl dem Großen 

Erstellt am 05.09.2005

 

 

Karl der Große im Spessart.
Eine alte Sage um „Einsiedeln“.

Der mächtige Kaiser Karl jagte mit besonderer Vorliebe im Spessart, wo es zu seiner Zeit noch Edelwild in Hülle und Fülle gab. Die Namen wie Karlsschlag, Karlsgrund und Karlshöhe erinnern an den Aufenthalt des Frankenkaisers in jener Gegend.

 

Der Kaiser, der gern zur Erholung von seinen Staatsgeschäften sein Jagdglück in den weiten Wäldern des Spessarts suchte, kam eines Tages bei einer Jagd von seinem Gefolge ab und  verirrte sich in den unwegsamen Gründen des dunklen Forsts. Nur ein Rüde war sein Begleiter. Gegen Abend traf er auf eine ärmliche Waldhütte, die von drei Einsiedlern bewohnt war. Sehr freundlich von den Eremiten empfangen, die trotz offensichtlicher Not alles taten, dem fremden Gast ein Mahl zu bereiten, nahm Kaiser Karl auf der einzigen Ruhebank Platz und sah, wie einer der Drei eine Suppe aus Wurzeln, Beeren und Kräutern bereitet, während der Zweite das Feuer schürte und der Dritte seine Waffe sorgfältig aufbewahrte.

 

Gern erzählten ihm die drei, in tiefer Einsamkeit lebende Brüder von ihrem Bemühen, die heidnischen Bewohner des Waldes zum Christentum zu bekehren. Während der Kaiser mit großer Anteilnahme nach dem Leben der gottesfürchtigen Männer forschte, war die Suppe fertig geworden und stand auf dem Tisch bereit. Angelockt vom Duft und unbeachtet von den eifrig Sprechenden, machte sich der hungrige Rüde in aller Stille über die dem Gast zugedachte Mahlzeit her, so dass die bestürzten Brüder dem hungrigen Fremden nur noch ein Stück schwarzen Brotes anbieten konnten. Der Gast teilte, da auch die Einsiedler noch nichts zu sich genommen hatten, trotz ihres Sträubens das handgroße Stück in vier Teile und bot jedem der Brüder ein Stück davon an. Einer der drei teilte seinen Anteil mit dem noch immer hungrigen Hund, der mit bittenden Augen daneben saß. Der Kaiser sah es mit Wohlgefallen.

 

Auf einem Lager von Moos ruhend, verbrachte Karl die Nacht. Immer wieder erwachend, sah er im Laufe der Nacht, wie ein Bruder nach dem anderen vor dem Altar kniete, der von einem brennenden Kienspan matt beleuchtet war und andächtig betete. Im Dämmer der Hütte, beim milden Schein des brennenden Holzes und beim leisen Murmeln der abwechselnd Andacht haltenden Brüder, erfasste den Kaiser ein tiefes Gefühl gläubiger Ehrfurcht vor dem stillen Wirken dieser Männer. Am Morgen befragt, ob diese nächtliche Andacht zu ihrer Lebensordnung gehöre, meinten die frommen Brüder, dass sie nichts anderes wüssten. Ihr Leben sei Gott und seinem Dienste geweiht.

 

Gerade als er unter Führung eines Einsiedlers aufbrechen wollte, hörte Karl in nächster Nähe ein Jagdhorn erschallen und kurze Zeit darauf war die nach ihm suchende Jagdgesellschaft um die Hütte versammelt. Jetzt erst erfuhren die Einsiedler, wer unter ihrem bescheidenen Dach genächtigt hatte. Karl der Große aber, der meinte, dass die drei frommen Männer nun lange genug Gott in der Einsamkeit gedient hätten, beschloss, sie zu Aufgaben heranzuziehen, die für die Welt von größerem Nutzen seien. So sandte er zwei von ihnen in das Neugegründete Kloster Neustadt. Den Dritten aber, der seinen Hund einen Teil seines kargen Mahl geopfert hatte und den er dadurch als den erkannte, der das gütigste Herz besaß, nahm er in seinem Gefolge mit nach Würzburg. Sein Name war Burkhard. Er verlieh ihm die Bischofswürde und so wurde Burkhard der erste Bischof von Würzburg.

 

Der Ort aber wo Karl der Große bei den Einsiedlern übernachtet hatte, wird heute noch „Einsiedel“ genannt.


 

Als Karl der Große im Spessart Gericht hielt.

Neustadt am Main war der Zufluchtsort der schuldlos verdächtigten Kaiserin

Karl der Große herrschte über das Land. Er war ein strenger, aber gerechter Herrscher. Streng gegen sich selbst und gegen die eigene Frau, von der er sich einer vermeintlichen Verfehlung halber getrennt hatte. Die Kaiserin lebte mit ihrer Tochter Gertrudis, der späteren Heiligen, im Benediktinerkloster zu Neustadt am Main, dessen Bau der Kaiser kurz zuvor vollendet hatte. Das Zerwürfnis der Eltern bedrückte Gertrudis; und sie dachte Tag und Nacht darüber nach, wie den Eltern zu helfen wäre. So gingen die Tage im Einerlei der Abgeschiedenheit, die der Spessart den Frauen zu bieten hatte. Abwechslung konnte er, der kaiserliche Bannwald, damals nur den Männern bieten, die sich hier auf der Jagd vergnügten.

Diese Jagdleidenschaft führte Karl den Großen nach Jahr und Tag wieder in seinen  Spessart zurück. Auf der Homburg, die er einst auf dem gleichen Felsen, wo Bonifatius einmal Zuflucht vor den Heiden gefunden hatte, zum Schutz seines Bannwalds erbaut hatte, hielt er Hof. Die meiste Zeit verbrachte er aber mit der Jagd nach Wölfen und Bären in den weiten, undurchdringlichen Wäldern. Im Norden wurden diese Wälder durch die Karlsburg bei Karlstadt geschützt. Zur gleichen Zeit, als nun der Kaiser in Homburg auf seine Art Jagdferien machte, war man auf der Karlsburg mit umfangreichen Bauarbeiten zur Verstärkung der wehrhaften Burganlagen beschäftigt. Da erfuhren eines Tages die Frauen in Neustadt am Main, dass der Kaiser einen Ausflug zur Karlsburg plane, um sich diese Neubauten anzusehen. Und Gertrudis fasste einen Plan.


Nichts ahnend ritt der Kaiser an der Spitze seines Gefolges durch das Linksmainische Gebiet der ehemaligen Landkreise Marktheidenfeld, Lohr und Karlstadt. Es muss ein schöner Herbsttag gewesen sein. Bei einer  uralten Eiche hemmten zwei Frauen den Weg des glänzenden Zugs. Karl wollte, als er seine Frau und seine Tochter erkannte, sofort zur Seite und weiter reiten. Das Gift des Misstrauens gegen die Kaiserin hatte von seiner Wirkung noch nichts verloren. Da fiel ihm Gertrudis in die Zügel und erinnerte ihn mit scharfen Worten an seinen Gerechtigkeitssinn, den er im ganzen Reich, aber nicht seiner eigenen Frau gegenüber gelten lasse. Sie warnte ihn, dass dieses böse Beispiel leicht Schule machen könne. Das waren harte Worte, wie sie Karl der Große vielleicht in seinem Leben noch nicht gehört hatte. Was wollte er aber machen? Seine eigene Tochter hatte sie ausgesprochen, und es waren sehr viele Zeugen da, die sich natürlich keine Phase dieser sensationellen Begegnung entgehen ließen. Er sagte seiner Frau ein ordentliches Gerichtsverfahren zu. Und weiter ging der Ritt zur Karlsburg, während die Kaiserin und Gertrudis nach Neustadt zurückkehrten.


Wenige Wochen später kam es tatsächlich zu dieser kaiserlichen Scheidungsverhandlung. Der Kaiser selbst trat als Kläger auf, während Gertrudis die Rolle der Verteidigerin übernommen hatte. Und sie wusste ihre Mutter geschickt zu verteidigen. Unter freiem Himmel spielte sich diese Gerichtsstunde ab, auf dem gleichen Platz an der uralten Eiche, wo die erste Begegnung stattgefunden hatte. Die ersten Ritter des Reichs fungierten als Geschworene. Und sie sprachen die Kaiserin aller Schuld frei, die ihr verleumderische Zungen aufgebürdet hatten. Keiner freute sich darüber mehr als der Kaiser, dessen Ehre damit wiederhergestellt war. An Ort und Stelle versöhnte er sich mit der Kaiserin.


Diese einzigartige Gerichtsverhandlung hatte noch ein Nachspiel. Während ihre Eltern nach Karlsburg ritten, kehrte Gertrudis nach Neustadt zurück. Als sie an den Main kam, war es schon spät, und kein Boot und kein Fährmann waren mehr zu sehen. Kein Rufen half. In den Wäldern ringsum regten sich die wilden Tiere. Gertrudis wollte den Main, als sie keinen anderen Ausweg mehr sah, durchwaten oder durchschwimmen. Die fromme Legende hat sich dieser Mainüberquerung bemächtigt. Sie berichtet, dass  sich die Wasser unter dem Fuß der Heiligen zu einem leichten, schwankenden Steg verdichtet hätten, auf dem sie wohlbehalten das Neustädter Ufer erreichte habe, wo sie von den staunenden Mönchen ehrfürchtig begrüßt worden sei. Noch vor gar nicht so langer Zeit sagte man in Neustadt und Umgebung, wenn der Wind die Wellen des Flusses leicht kräuselte: "Das sind die Fußspuren der hl. Gertraud!"


 

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